Analyse zur Superzelle am 31.5.08 im Erzgebirge
Am 31.5.08 lag eine quasistationäre Luftmassengrenze über Mitteldeutschland. Im Nordosten wurde am Rand eines kräftigen Hochs trockene und sehr warme Festlandsluft herangeführt, während von Südwesten feuchtwarme Luft aus dem Mittelmeerraum einfließen konnte. Diese feucht-warme, labile Luft war sehr attraktiv für die Bildung lokaler, heftiger Gewitter. An der Grenze zur heißen Festlandsluft über Mitteldeutschland war die Konvektion dabei deutlich bevorzugt.
Verschiedene Wettermodelle simulierten dabei Cape von teils > 1500 J/kg, über Sachsen etwa 1000 J/kg. Hebung wurde vor allem über Thüringen gerechnet. Nach Sichtung der Modelle war die Wahrscheinlichkeit für Schwergewitter über Thüringen am höchsten. Die Scherung war für die Bildung einiger organisierter Zellen günstig, allerdings über Sachsen eher etwas schwächer. Ein im Gegensatz zu den Vortagen eher schwacher bis mäßiger Deckel sollte Konvektion über Mitteldeutschland am Nachmittag und Abend bei genügend hohen Temperaturen zulassen.
Während entlang einer Konvergenz bereits ab Mittag über dem Süden Hessens und Teilen Bayerns erste kräftige Gewitter entstehen konnten, blieb es über Sachsen eher ruhig. Im Allgemeinen waren die Bedingungen für Thüringen und Hessen eher günstiger als in Sachsen, zumindest wenn man nach den Modellen gehen sollte. Erste Radiosondenaufstiege wie in Meiningen oder Praha zeigten ebenso Cape von 900-1100 J/kg.
Gegen 13 Uhr könnte man auf entsprechenden Windkarten ein zunehmendes konvergentes Muster über dem Erzgebirge erkennen. Zeitgleich wurde erste produktive Konvektion am Kamm sichtbar. Die erste Zelle wurde gegen 13:30 Uhr blitzaktiv und lag über dem Landkreis Aue-Schwarzenberg im Westerzgebirge. Doch waren diese ersten Zellen nicht sonderlich langlebig, sondern verhielten sich eher wie normale Wärmegewitter in kaum gescherter Umgebung, welche sich rasch durch Abschneiden ihres lebensnotwendigen Aufwindes durch den ausfallenden Niederschlag abschwächten.
Zellneubildung am Erzgebirgskamm
Interessant wurde schließlich eine Konvektion gegen 14:45 Uhr über dem nördlichen Landkreis Aue-Schwarzenberg zur Grenze zum Landkreis Annaberg und Stollberg. Diese Zelle und eine weitere Zellneubildung über dem südöstlichen Landkreis Aue-Schwarzenberg vereinigten sich und erfuhren dabei eine deutliche Verstärkung.
Entstehender Zellkomplex über dem nördlichen Landkreis Aue-Schwarzenberg
Die dunkle Basis der späteren Superzelle...
Zur Betrachtung der Zelle dient das Irasradar vom DWD - in der Grafik ist zur besseren Einordnung der Zelle ihre Lage
im Bezug auf ganz Sachsen erkennbar, wobei die Zelle hier kurz nach dem Zeitpunkt, wo die obigen Bilder
entstanden waren, zu sehen ist (© DWD)
Nun und folgend gezoomte Betrachtung der Zelle (© DWD)
Gegen 15 Uhr waren auf dem Irasradar 2 Zellkerne in diesem Komplex sichtbar, welche über 55 dBZ erreichten. Im Gegensatz zu der vorhergegangenen Konvektion schwächten sich diese Zellen nicht mehr ab. Nur wenige Minuten später gab es nur noch eine markante, vereinigte Zelle über der Region Schwarzenberg - Bernsbach - Grünhain – Beierfeld - Waschleithe – Langenberg. Die maximale Intensität erreichte bereits > 59 dBZ.
(© DWD)
Zellen verschmelzen zur einem System (© DWD)
Über Schwarzenberg und Bernsbach gab es dabei heftigen Starkregen, gepaart mit kleinkörnigem Hagel bis 1,5 cm. Zu diesem Zeitpunkt stürzte auch das Dach eines Baumarktes in Schwarzenberg in Folge von Hagel- und Wassermassen ein. In Erlabrunn brannte ein Baum nach Blitzschlag lichterloh ab. Über Grünhain bis Waschleithe gab es einen wahren Wolkenbruch, die Sicht war dabei < 50 m! Richtung Langenberg nahm dabei der Hagelanteil zu, die Körner erreichten rasch bis zu 3 cm.
Folgende Bilder zeigen den teils extremen Starkregen in Grünhain:
Starkregen Grünhain (Bild unten rechts: bereits wieder nachlassender Starkregen, Hagelanteil nimmt aber zu)
Das nun folgende Bild wurden von Andy Offenderlein zur Verfügung gestellt und zeigt den Schaden nach dem Dacheinsturz im Baumarkt in Schwarzenberg:
Durch Wassermassen und Hagel eingestürztes Dach eines Baumarktes in Schwarzenberg (Foto: Andy Offenderlein)
In Beierfeld gab es mehrere Feuerwehreinsätze in Folge des Starkregens. Gegen 15:15 Uhr gab es über Langenberg eine Maximalreflektivität von > 63 dBZ. Dort fiel nahezu reiner, dichter Hagelschlag vom Himmel - erste Körner erreichten dabei anfangs bis zu 4 cm Durchmesser und es gab in Langenberg erste Hagelschäden an Fahrzeugen. Der heftige Starkregen im Bereich zwischen Waschleithe und Elterlein (Schatzenstein) lies den kleinen Oswaldbach, später auch den Schwarzbach in Langenberg erheblich ansteigen, es gab Hochwasser. Die folgenden Bilder stammen aus dem Bereich und wurden von Andreas Schieck von der FFW Raschau und Karla Schlegel zur Verfügung gestellt, herzlichen Dank dafür.
Superzelle, beginnendes Hook (© DWD)
Hagel in Langenberg Richtung Waschleithe (Foto: FFW Raschau, Andreas Schieck)
Schweres Hochwasser des Schwarzbaches in Langenberg (Foto: Karla Schlegel)
Die folgenden Bilder wurden ein paar Tage nach dem Unwetter in Langenberg Richtung Schwarzbach aufgenommen und verdeutlichen das Hochwasser in Langenberg:
Hochwasserstand
Schlammablagerungen
Auch umliegende Teiche wurden von Schlamm geflutet – erhebliches Fischsterben war die Folge
Gegen 15:15-15:20 Uhr fing es im Ort Schwarzbach zwischen Elterlein und Langenberg an zu hageln. Laut Augenzeugen begann der Hagelschlag mit einigen wenigen, großen Hagelkörnern um 4 cm, teils auch etwas größer. Diese beschädigten bereits Autos und Häuser. Richtung Westen fiel der Großhagel noch etwas dichter, traf dort allerdings nur Felder. Kurz darauf ging ein heftiger Hagelsturm über dem Ort nieder. Dabei fiel fast reiner Hagelschlag mit Körnungen von 1-3, teils weiterhin 4 cm Durchmesser. Rasch bildete sich eine Hageldecke. Etwa 15:35 Uhr lies das Unwetter wieder nach. Die Hageldecke erreicht zwischen 10-20 cm Höhe, die Bäume waren erheblich entlaubt.
Hagelgebiet erreicht Schwarzbach (© DWD)
Richtung Grünhain und Zwönitz sowie zwischen Elterlein und Waschleithe gab es weiterhin heftigen Starkregen und Hagel bis 2,5 cm (die größten Körner gab es hier in Waschleithe). Dieser Regen, welcher zwischen Elterlein, Grünhain und Waschleithe fiel, sollte für Schwarzbach - ebenso wie bereits für Langenberg angesprochen - noch zum Problem werden. Zwischen den Orten Elterlein und Grünhain liegt der Schatzenstein. Das Regenwasser, welches dort durch das Unwetter in rauen Mengen vom Himmel fiel, würde durch die trockenen Böden größtenteils oberflächlich abgeführt und floss unter anderem Richtung Schwarzbach zu Tal. Diese Wassermassen trafen erst etwa 10 Minuten nach dem Hagelunwetter im Schwarzbachtal ein, wobei die Unwetterzelle zu diesem Zeitpunkt schon weitergezogen war. Das Wasser schwemmte den Hagel zu Tal, es gab gewaltige Hagel- und Schlammlawinen, welche nun die Hauptschäden im Ort verursachten. Türen und Fenster wurden eingedrückt, Häuser von Hagelmassen überschwemmt. Der Hagel lag nun aufgestaut bis zu 1 m hoch im Ort und in den Häusern. Zugleich wurde ein Öltank durch die Lawine beschädigt. Dadurch lief Altöl aus und verteilte sich im Gebäude und im umliegenden Gelände. Die Feuerwehren verschiedener Orte waren teils sogar über Tage hinweg im Dauereinsatz, um die erheblichen Schäden wenigstens annähernd zu beseitigen.
Folgende Karten sollen die Situation in Schwarzbach und Umgebung verdeutlichen:
Überblick über Schwarzbach und Umgebung
Ungefährer Bereiche entsprechender Hagelgrößen und Hageldecken
Ursache der Hagel- und Schlammlawinen sowie der Hochwasserlage entlang des Schwarzbaches und
des Oswaldbaches – Wassermassen/ Oberflächenwasser von den umliegenden Bergen (Hauptvorstoßgebiete siehe blaue Pfeile) fließen zu Tale, überschwemmen zusammen mit dem gefallenen Hagel speziell in Schwarzbach zahlreiche Häuser und werden über die beide Bäche entwässert (Hochwassersituation soll anhand der Ausrufezeichen verdeutlicht werden, je größer, umso markanter das Hochwasser)
Die folgenden Bilder wurden in Schwarzbach von Familie Riedel aufgenommen und zeigen den noch fast reinen, dichten Hagelschlag in Schwarzbach.
Hagelschlag in Schwarzbach (Foto: Familie Riedel)
Nach dem Hagelschlag: erste Wassermassen kommen von den Feldern ins Tal (Foto: Familie Riedel)
Diese Bilder wurden ab etwa 15:45 Uhr von Familie Riedel aufgenommen, zunehmend schießt das Oberflächenwasser aus Richtung des Schatzensteines ins Tal und überschwemmt zusammen mit dem Hagel den Ort:
Wasser- und Schlammmassen schießen Minuten nach dem Unwetter zu Tal - der Hagel
wird zusammengeschwemmt und verursacht nun mit dem Wasser die größten Schäden... (Foto: Familie Riedel)
40-50 cm hohe Hageldecke (Foto: Familie Riedel)
Hageldecken, teils > 50 cm hoch (Foto: Familie Riedel)
Auch hier beachte man die Höhe der Hageldecke! (Foto: Familie Riedel)
Vom Hagel zerstörtes Gewächshaus (Foto: Familie Riedel)
Schäden durch Wasser und Hagelmassen (Foto: Familie Riedel)
Teilweise, beispielweise in Häusern, liegt der Hagel > 1 m hoch (Foto: Familie Riedel)
Aufnahme vom folgenden Tag: Man beachte die weiterhin ca. 20 cm dicke Hageldecke und im Hintergrund
die entlaubten Bäume! (Foto: Familie Riedel)
Die folgenden Bilder zeigen die dramatische Situation in Schwarzbach, vielen Dank an Anette Derr für diese Bilder:
Oberflächenwasser von den Feldern (Foto: Anette Derr)
Häuser werden anschließend durch das nachlaufende Oberflächenwasser von den Feldern überschwemmt
(Foto: Anette Derr)
Das einfließende Wasser, gepaart mit dem Hagel, hat eine unglaubliche Kraft (Foto: Anette Derr)
Hauptstraße des Ortes (Foto: Anette Derr)
Zusammengeschwemmter Hagel, aufgenommen am folgenden Tag (1.6.08!) (Foto: Anette Derr)
Die nun folgenden Bilder wurden von Andy Offenderlein aufgenommen, ebenfalls in Schwarzbach:
Wasser und Hagel im Garten (Foto: Andy Offenderlein)
>1 m hohe Hagelansammlung (Foto: Andy Offenderlein)
Weiter zur Zelle. Während sich Schwarzbach im Hagelunwetter befand, also gegen 15:20-15:25 Uhr, rollte sich der Ostteil der Zelle zunehmend ein. Auf dem Irasradar kann man das bereits als wichtigen Hinweis auf eine eventuelle Superzelle interpretieren. Und tatsächlich, zur gleichen Zeit lag bereits eine stark ausgeprägte Meso mit Wallcloud über der Region Hermannsdorf. Trotz nicht allzu günstiger Scherungsbedingungen konnte sich anscheinend eine starke Superzelle bilden, doch dazu später mehr.
Mesozyklone über der Region Hermannsdorf
In Elterlein setzte ab etwa 15:25-15:30 trockener Hagel ein. Erste Körner von 3-3,5 cm - sporadisch auch Größere - fielen vom Himmeln. Vor allem nahe des Ortskernes und Richtung Geyer gab es auch um 4 cm große Körner. Dort gab es auch die größten Schäden an Fahrzeugen und Häusern. Rasch setzte anschließend ein Hagelsturm mit bis zu 2,5 cm großen Körnern ein, dazu Sturmböen, teils schwere Sturmböen und mehr oder weniger heftiger Starkregen. Richtung Schlettau fiel zeitweise fast reiner, starker Hagel von Himmel. Später nahm der Hagelschlag bzw. der Durchmesser auf maximal etwa 1-2 cm ab, doch kurz darauf gab es bei Starkregen und dem besagten kleineren Hagel wieder einige Körner von 3,5 – 4 cm, teils auch etwas größer. Nach weiteren ca. 5 Minuten lies der Hagelschlag nach, es gab nun Starkregen und nur noch Hagel bis 1,5 cm im Durchmesser.
Folgende Bilder stammen aus Elterlein und zeigen den Hagel.
Erste große Körner bis 3,5 cm, teils größer...
Dichterer Hagelschlag bis 2,5 cm Durchmesser und Sturmböen...
Gegen Ende erneut bis zu 4 cm große Körner!
Hagelkern zieht von Schwarzbach über Elterlein hinweg (© DWD)
Richtung Schlettau gab es eine Hageldecke von 5 bis maximal 10 cm. In Dörfel, etwas östlich der Wallcloud im Bereich des RFD, gab es kaum starken Hagel, sondern eher nur Starkregen und schweren Sturm, teils wohl auch Böen um Bft 11. Dort wurden aus den Bäumen große Äste und Krönenstücke herausgebrochen. Ab Tannenberg gab es wieder schlagartig großen Hagel bis 4 cm, dort ebenfalls auch wieder Hagelschäden. Der Hagel fiel dort von 15:35-15:45 Uhr. Die Zelle nahm nun eine deutliche Dipolstruktur an, was auf eine klassische bis „nasse“ Superzelle (HP) hin wies. Über Geyer lag 15:45 Uhr die Meso.
Zunehmende Dipolstruktur, Meso über Geyer, nördlich eine neue Zelle, welche im Folgenden von der Superzelle
aufgesaugt wird (© DWD)
4 cm Hagel in Tannenberg
Ab 15:50 lag der Starkniederschlag mit über 60 dBZ über dem Süden der Stadt Geyer, Siebenhöfen und Schönfeld. In Siebenhöfen gab es Hagelschlag mit Körnern bis zu 6 cm im Durchmesser. In Geyer gab es > 5 cm große Körner, vor allem im Osten der Stadt. Richtung Westen waren die Körner 4-5 cm groß und fielen zunehmend weniger dicht. Dennoch gab es in Geyer erhebliche Schäden durch die großen Körner. Der Hagel beschädigte Autos teils erheblich, Dächer und Fenster wurden ebenfalls teils beschädigt. Die folgenden Bilder aus Geyer wurden von Ralph-Werner Hennings von der FFW Geyer freundlicherweise zur Verfügung gestellt:
Hagel >= 4 cm in Geyer (Foto: Ralph-Werner Hennings)
Anschließend hagelt es noch mit kleineren Körnern weiter, eine Hageldecke entsteht (Foto: Ralph-Werner Hennings)
Hagelkern über Geyer (© DWD)
Hagel von 4-5 cm, 4 h nach dem Ereignis in Geyer
Nördlich der Superzelle ging eine weitere Zellneubildung hoch, welche im weiteren Verlauf rasch von der Superzelle „aufgesaugt“ wurde. 15:55 Uhr bis 16:05 Uhr wurde Ehrenfriedersdorf vom Hagelkern heimgesucht. Zwischen Ehrenfriedersdorf, Geyer und Mönchsbad fiel Hagel bis zu 7 cm im Durchmesser. Zum Glück traf der größte Hagel fast nur Felder, beschädigte dort aber einige Autos enorm! In Ehrenfriedersdorf fielen im Südwesten des Ortes noch Körner von 5-6 cm und verursachten reichlich Schaden. Im Ort nahm der Hageldurchmesser immer weiter ab und Richtung Herold (Norden) waren die Körner nur noch 2-3 cm groß.
Das folgende Bild wurde im Südosten des Ortes Ehrenfriedersdorf aufgenommen und zeigt 5-6 cm große Körner:
Körner von 5 bis 6 cm im Durchmesser
Und so sah es im Ort aus, die Körner sind 2 bis maximal 3 cm groß:
Hagelschlag mit 2 bis maximal 3 cm
Hagelkern über Ehrenfriedersdorf (© DWD)
Richtung Venusberg gab es heftigen Starkregen und Hagel bis 2 cm im Durchmesser. Im Norden des Ortes gab es erneut Hageldecken bis 10 cm. Der Großhagelkern schwächte sich allerdings nun ab, die Korngröße ging auf 4 cm zurück. Bei Gelenau verstärkte sich die Reflektivität erneut. Ein neues Hagelgebiet bildete sich gegen 16:15 Uhr, es erreichte maximal 63-67 dBZ. Östlich von Gelenau fiel starker Hagelschlag mit bis zu 4 cm großen Körnern herab, die Bäume wurden erheblich entlaubt. Da dort kaum Häuser sind, waren die Schäden nicht ganz so hoch. Dennoch gab es auch hier Dellen in Autos, welche zu diesem Zeitpunkt dort unterwegs waren.
Wieder deutliche Verstärkung des Hagelkerns, Meso bzw. Aufwind über Weißbach, Hook bildet sich erneut aus (© DWD)
Im Bereich Venusberg...
Hagel- und Niederschlagsfuß
In Scharfenstein, östlich von Gelenau und Venusberg, gab es Starkregen und kleinen Hagel, aber im Bereich des RFD wieder Sturmschäden. Äste, sogar einzelne Bäume waren zwischen Scharfenstein und Zschopau umgestürzt. Gegen 16:20 Uhr lag die Meso über Zschopau. Die Superzelle zeigte nun sehr deutliche Strukturen eines Hook-Echos. Der breite Starkregen und Hagelkern, welcher südlich der Meso ausfiel, wurde nun durch deren starke Rotation um den Meso herumgeholt. Spätestens jetzt war auch eine erhöhte Tornadogefahr feststellbar.
deutliches Hook (© DWD)
Situation zwischen Zschopau und Scharfenstein
Der Starkregen- und Hagelkern zog von 16:20-16:30 über Amtsberg und Zschopau hinweg. In Zschopau gab es einige Überschwemmungen, Richtung Westen im Bereich Gornau auch noch starken Hagelschlag von 3 cm, teils auch noch größer.
In Zschopau...
16:30 Uhr, zum Zeitpunkt der stärksten Ausprägung des Hook-Echos, gab es über Henneberg und Augustusburg einen Tornado. Das folgende Bild wurde von Familie Zimmermann in Witzschdorf aufgenommen und zeigt den Tornado über Augustusburg:
Tornado aus der Superzelle über Augustusburg (Foto: Familie Zimmermann)
Zeitpunkt des Tornados (© DWD)
Der Tornado (T3/F1) richtete dabei teils nicht unerhebliche Schäden an. Bäume wurden umgeknickt, Dächer abgedeckt. Ein Dach eines Bungalows in einer Gartensiedlung wurde auf ein weiteres Bungalow geschleudert. Dort wurde eine Frau verletzt. Die folgenden Bilder von den Schäden wurden freundlicherweise von Bernd März zur Verfügung gestellt und einige Tage nach dem Ereignis aufgenommen. Zur Einordnung des aufgenommenen Tornadofotos von Familie Zimmermann und der Schadensbilder folgend auch eine Übersichtskarte:
Übersichtskarte zum Tornado in Augustusburg: unten links der Fotostandort von Familie Zimmermann,
welche den Tornado fotografieren konnte. Im Pfad des Tornados (rot) sind mehrere Bildpunkte angegeben. Zu diesen
Bildpunkten folgen nun die entsprechenden Bilder von den Schäden in diesem Bereich.
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Fotos der Tornadoschäden (Einstufung T3/F1) (Fotos: Bernd März)
Anschließend, gegen 16:35, ging über Augustusburg ein Wolkenbruch nieder, gepaart mit kleinem Hagel. Zudem gab es hier auch teils schwere Sturmböen bis orkanartige Böen. Es gab dadurch auch abseits der Tornadoschneise Sturmschäden und eben bedingt durch den sehr heftigen Starkregen auch Überschwemmungen.
Starkregen in Augustusburg
Superzelle beginnt sich wieder abzuschwächen... (© DWD)
Die Superzelle schwächte sich nun, ab 16:40 Uhr, immer weiter ab und verclusterte zunehmend mit neuen Zellneubildungen zu einem MCS. Von 16:50 bis 17:00 Uhr gab es unwetterartige Starkregenfälle in Flöha und Oederan im Landkreis Freiberg. Teils fiel noch Hagel bis 3 cm südlich von Flöha, Richtung Oederan bis 1,5 cm. In beiden Orten gab es wie auch in den Gemeinden zuvor erhebliche Überschwemmungen und Schlammlawinen, vor allem Oederan wurde teilweise erheblich überschwemmt.
Überschwemmungen in und um Oederan
Immer wieder Sturmschäden, hier bei Oberschöna
Alte Meso noch südlich von Erdmannsdorf (© DWD)
Später entsteht ein MCS: Reste der Superzelle um Altenhain und Flöha herum, östlich übernehmen Neubildungen
die Regie (© DWD)
Das MCS zog nun weiter bis nach Dresden, dabei gab es weiterhin heftigen Starkregen und Hagel bei Reflektivitäten > 55 dBZ, teils über 60 dBZ. Ob die Mesozyklone ab Freiberg vollständig verschwunden war oder weiterhin noch zumindest teilweise aktiv war bzw. neue Mesos örtlich eingelagert waren, kann nicht genau gesagt werden. Allerdings ist Richtung Dresden nochmals starker Hagel aufgetreten, die Körner erreichten um 3,5 cm im Durchmesser, wobei örtliche Hagelschäden an Autos auch größere Körner erklären würden. Angeblich gab es durch das Unwetter in Dresden örtlich den stärksten Hagelschlag seit ca. 30 Jahren. Die maximalen Niederschlagsmengen lagen bei diese Zelle bei > 60 mm!
Nach Dresden schwächte sich das System nach und nach ab. Im Gegensatz zu allen anderen Konvektionen über Sachsen und Deutschland, welche von SO nach NW zogen, scherte die besagte Superzelle über Sachsen um fast 90 ° rechts aus und das spätere MCS zog nach NO Richtung Dresden.
Neben diesem starken Unwetterereignis in Sachsen gab es auch über Thüringen ein heftiges Unwetter. Dabei bildete sich ein Cluster, welcher mit > 55 dBZ für enormen Starkregen sorgte. Hagel war bei diesem System eher nebensächlich, aber es gab teilweise Niederschlagsmengen > 100 mm in kurzer Zeit. Die Überschwemmungen waren erheblich. Die Systeme über Sachsen und Thüringen waren die beiden Brennpunkte an diesem 31.5. über Deutschland. Die Schäden allein durch die Superzelle in Sachsen gehen weit in die Millionen...
Doch wie konnte eigentlich die Superzelle entstehen? Die Scherungsbedingungen waren zwar ausreichend für starke, organisierte Zellen, aber für die langlebige Superzelle über Sachsen scheint die Orographie des Erzgebirges nicht unerheblich beigetragen zu haben. Die ersten Zellen, welche gegen 13:30 Uhr direkt am Kamm hochgingen, waren nicht organisiert und schwächten sich rasch wieder ab. Erst einer Zelle, die etwas weiter nördlich vom Kamm entfernt entstanden war, gelang die hochgradige Organisation zur Superzelle. Wahrscheinlich konnte diese Neubildung aufgrund ihrer relativen Lage vom Erzgebirgeseinfluss profitieren. Es war die am diesem Tag stärkste und organisierteste Entwicklung in ganz Deutschland.
Zum Einfluss des Erzgebirges auf die Entstehung von Superzellen soll später in einer separaten Analyse nochmals genauer eingegangen werden. Deutlich wurde in all den Jahren der bisherigen Beobachtung der Unwetteraktivität im Erzgebirge, dass eine Korrelation zwischen organisierten Schwergewitterzellen und der Orographie des Erzgebirges besteht. In kaum einer Region Mitteldeutschlands gibt es so viele Superzellen und/oder Großhagelereignisse wie im südwestlichen Sachsen.
Zuletzt noch ein Gesamtüberblick über den Hagelzug ausgehend von der Superzelle. Dazu sollen die folgenden beiden Grafiken beitragen:
Überblick über das Gebiet mit den gefallenen Hagelgrößen, ausgehend von der Superzelle und dem später daraus entstehenden Cluster bei Dresden
In der obigen Graphik sind zudem noch die mir bekannten Starkwindereignisse eingetragen, wobei das rote Fünfeck den Tornado, die blauen Ausrufezeichen einfache Sturmschäden kennzeichnen. Dahinter sind jeweils die Orte angegeben.
Soviel zu diesem Ereignis. Im Vergleich mit früheren Großhagelereignissen reiht sich diese Superzelle somit in die großen Hagelsuperzellen der Vergangenheit ein. Vergleichbar war sie intensitätsmäßig vor allem mit dem 27.5.07, welche teils fast ebenso große Hageldecken und Körner bis 7 cm hervorbrachte. Allerdings gab es damals keine Sturmschäden oder gar einen Tornado. Zwar blieben die Körngrößen am 31.5.08 weit unter denen von der LP-Superzelle am 29.7.05, aber dafür brachte diese Superzelle auch wahre Hagelmassen und Wolkenbrüche mit sich, sodass es dadurch zu weiteren, teils erheblichen Sachschäden kam, die am 29.7.05 kaum ins Gewicht fielen. Insgesamt ein Großereignis, wie es im Erzgebirge statistisch etwa 1-2 mal pro Jahr auftritt.
Noch etwas zu den Radarbildern von Iras: Die Reflektivitäten können mitunter noch stärker sein wie auf den Bildern gezeigt. Deutlich wurde dies unter anderem, als die Superzelle frisch entstanden war und unter dem Abdeckungsbereich der Radarstandorte Dresden und Eisberg lag. Unter Einbeziehung des Radars Eisberg war der Hagelkern bedeutend größer und erstreckt sich sogar bis Schwarzenberg, wo es ja auch Schäden durch Wasser und Hagel gab. Dabei war ein breiter Kern mit > 59 dBZ erkennbar, teils über 63 dBZ. Betrachtet man im gleichen Bereich nur den Standort Dresden, erscheint der Kern deutlich kleiner bzw. damit auch schwächer. Eventuell stört hier die Orographie ein wenig die genaue Abtastung ausgehend vom Standort Dresden, dessen Radarmaterial in dieser Analyse Verwendung fand (ohne die Standorte Eisberg oder Neuhaus).
Zu Guter letzt nochmal vielen Dank an die vielen "Fremdquellen", welche mir freundlicherweise allerhand Material zur Verfügung stellten. Besonders sei dabei auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) erwähnt, welcher mir freundlicherweise das Radarmaterial für diese
Analyse zur Verfügung stellte. Herzlichen Dank dafür...
weiterer Link zur Superzelle:
Bebilderter Chasingbericht mit Video
© Michel Oelschlägel
Datum: 11. Dezember 2024