Schweres Unwetter durch Superzelle im Erzgebirge
Der Tag begann sehr schwül und heiß, rasch kletterten die Temperaturen auf > 25 °C. Eine markante Luftmassengrenze hatte bereits die Tage zuvor im Westen und Süden teils schwere Gewitter und Unwetter verursacht. Heute nahm deren Einfluss auf die Mitte und den Osten Deutschlands zu. Am Erzgebirge begann es bereits am Mittag kräftig zu quellen. Nachdem einige kleinere Zellen am Kamm hochgegangen waren, bildete sich gegen 15 Uhr ein markanter Aufwind mit dunkler Basis im Norden des Landkreises Aue-Schwarzenberg. Bernd März und ich unternahmen nun ein gemeinsames Chasing. Dieses neue System sollte nicht die Kurzlebigkeit seiner Vorgänger teilen. Rasch setzte erste Blitzaktivität ein und es begann mit großen Tropfen zu regnen. Bald gesellte sich Hagel bis 1 cm dazu.
Zellneubildung über dem nördlichen Landkreis Aue-Schwarzenberg
Die Zelle verstärkt sich...
Heftiger Wolkenbruch mit Hagel setzt Richtung Grünhain ein...
Als wir Richtung Grünhain weiterfuhren, gab es heftigen Platzregen mit Hagel bis 1 cm, die Sicht war stark herabgesetzt. Der Blick auf das Radar zeigte, dass sich das System mehr und mehr organisierte. Da wir aufgrund des Niederschlagsradars bzw. der dort gezeigten Signatur die Vermutung hatten, dass es sich hierbei eventuell um eine Mesozyklone handeln könnte, führen wie Richtung Elterlein aus dem Starkniederschlag heraus, um uns einen besseren Überblick über die Struktur der Zelle zu verschaffen. Der Atem stockte uns, als wir in Elterlein aus dem Niederschlag herauskamen. Ein gewaltiges, äußerst dynamisches System lag vor uns, nämlich eine wunderbar strukturierte Superzelle.
Das Monster erscheint vor uns...
Gesamtansicht der Superzelle, rechts der Hagelniederschlag
Erst fuhren wir Richtung Geyer, wo starker Sturm einsetzte und wir nicht unbedingt durch den dortigen Wald fahren wollten. Daher kehrten wir um und versuchten einen anderen Weg zu fahren, doch das System intensivierte sich rasch, sodass unser Plan nicht so ganz aufging wie erhofft. Wir kamen in anfangs trockenen Hagelschlag, die Körner waren bis 3,5 cm groß, teils sogar größer! Rasch intensivierte sich der Niederschlag - Sturm, Hagel und Platzregen fegten über die Landschaft.
Größerer Hagel setzt ein!
Die Körner von teils > 3,5 cm springen meterhoch beim Aufschlag auf der Wiese wieder empor...
Da wir das System nicht durchqueren konnten, suchten wir uns eine Tankstelle, welche allerdings wegen des Hagels bereits reich besucht war - doch wir fanden noch ein Plätzchen. Der Niederschlag und der Hagel wurden nun erwartungsgemäß immer stärker. Immer wieder fielen sporadisch 3,5-4 cm große Körner herab.
Wir stellen uns unter eine Tankstelle...
... denn der Hagel wird immer größer und dichter!
Größere Körner sind immer wieder mal dabei, siehe untere Bildmitte auf dem Weg!
Die folgenden Bilder zeigen den Höhepunkt des Hagels im Süden Elterleins:
Höhepunkt des Hagelschlages, neben dichtem kleinen Hagel auch Körnern bis 4 cm Durchmesser!
Nebel steigt auf...
Etwa eine viertel Stunde hagelte und schüttete es. Dann lies zumindest der Hagel nach. Wir fuhren nun weiter der Zelle hinterher. Diese zog nicht wie der Rest nach West-Nordwest, sondern scherte geradewegs nach Norden, später Nordost. Bei der Fahrt nach Schlettau konnten wir Hageldecken bis 5 cm finden. In Dörfel gab es erste Sturmschäden zu sehen, große Äste waren aus den Kronen herausgebrochen und auf die Fahrbahn gestürzt. In Tannenberg kamen wir erneut in Starkregen und fallenden Hagel bis 3 cm. Um nicht weiter durch den Niederschlag nahe der Meso fahren zu müssen, bogen wir nach Frohnau ab, wobei dort aber teils Äste die Weiterfahrt behinderten. Auch lagen dort Hagelkörner um 4 cm umher.
4 cm großes Hagelkorn bei Tannenberg
Richtung Ehrenfriedersdorf ging es dann weiter. Neben teils erheblichen Überschwemmungen, welche uns ständig begegneten, fanden wir kurz vor Ehrenfriedersdorf große Hagelkörner. Diese waren 5-6 cm groß! Im Ort kamen wir wieder in Hagelschlag um 3 cm im Durchmesser.
Große Körner vor Ehrenfriedersdorf Richtung Geyer...
...
Die Körner erreichen maximal 5-6 cm im Durchmesser!
In Ehrenfriedersdorf erneut Hagelschlag!
Weiter ging es nun über Drebach nach Zschopau, wo sich mittlerweile ein recht gut ausgeprägtes Hook-Echo befand. Oliver Schlenczek koordinierte uns dabei etwas, da wir nicht ständig Internet zur Verfügung hatten. Zwischen Drebach und Ehrenfriedersdorf gab es Schlammlawinen, im Ort teils Hagelansammlungen. Vor uns lag der ausgeprägte "Niederschlagsfuß" der Superzelle. Immer wieder begegneten wir Feuerwehren im Einsatz.
Niederschlagsfuß
Schlamm und Geröll am Ortseingang zu Drebach
Zwischen Scharfenstein und Zschopau erneut ein Feuerwehreinsatz. Hier waren es abgebrochene Äste und ein umgestürzter Baum.
Ein umgestürzter Baum behindert den Verkehr, wie auch zahlreiche, große Äste!
In Zschopau gab es weiterhin sporadisch Hagel, meist < 2 cm im Durchmesser, aber eben auch heftigen Starkregen und damit erhebliche Wasseransammlungen.
Wassermassen in Zschopau
Weiter ging es über Waldkirchen nach Flöha. Dort kamen wir wieder in den Niederschlag der Superzelle, welche sich zugegebenermaßen recht langsam bewegte, so aber erhebliche Niederschlagsmengen hervorbrachte. Diesmal gab es heftigsten Starkregen, kleinen Hagel und schweren Sturm. Äste lagen umher, Überschwemmungen waren in Regel.
Wolkenbruch und Schwerer Sturm in Waldkirchen!
Überall liegen Äste herum...
Die Kanalisation ist total überfordert...
... nahezu spielend heben die Wassermassen Kanaldeckel aus der Verankerung!
Ganz besonders schlimm erwischte es Oederan. Dort gab es gewaltige Schlammlawinen. Im Ort war die Feuerwehr im Dauereinsatz. Ganze Grundstücke waren überflutet. Die Superzelle schwächte sich nun mehr und mehr ab. Weitere Zellneubildungen in dieser Region führten zusammen mit der sich abschwächenden Meso zur Entstehung eines schönen MCS, welches Richtung Dresden weiter zog. Teils gab es weiterhin unwetterartige Erscheinungen im Bereich dieses Systems, wie Hagel um 3 cm, schweren Sturm oder Überschwemmungen.
Vor Oederan: Da ist normalerweise eine Kreuzung...
... eine gewaltige Schlammlawine wälzt sich talwärts!
Auch im Ort Oederan selbst erhebliche Überschwemmungen!
Feuerwehr auch hier im Dauereinsatz!
Weitere Überschwemmungen...
... von teils ganzen Grundstücken und Häusern!
Gärten werden zu Flüssen...
...die Überschwemmungen sind mehr als erheblich!
Die folgenden Bilder zeigen ebenso eine Schlammlawine in Oederan:
Wir kehrten nun aber um, um noch die Schäden etwas genauer zu begutachten. Neben den erheblichen Überschwemmungen fanden wir in Augustusburg noch weitere Sturmschäden (welche später einem Tornado! zugeordnet werden konnten).
Aufwind der von uns gechasten Zelle bei der Rückfahrt...
Teils gab es auch neue Quellungen Richtung Süden, aber daraus entstanden keine Gewitter mehr...
weitere Sturmschäden in Augustusburg (später als Tornadoschäden verifiziert!)
In Geyer, wo wir den größten Hagel vermuteten, fanden wir 4 h nach dem Ereignis noch Hagel um 5 cm Durchmesser. Auch gab es hier Schäden an Fahrzeugen und Häusern. Viele Dellen mussten wir in den Autos feststellen, auch Dachbleche oder Rollläden wurden beschädigt. Die Originalgröße soll laut Augenzeugen um 6 cm gelegen haben, allerdings fielen diese Körner nur sporadisch, der Großteil war 2-4 cm groß.
4 h nach dem Gewitter - Hagelkorn in Geyer!
Teils findet man hier tiefe Dellen im Blech von Autos...
... oder Dachblechen!
Weitere Bilder vom Hagel in Geyer, alle 4 h nach dem Ereignis aufgenommen :
In Schwarzbach dann staunten wir erneut. 4 h nach dem Unwetter gab es dort immer noch eine Hageldecke, teilweise > 50 cm mächtig! Die Körner waren bis zu 4 cm groß. Zudem gab es dort erhebliche Überflutungen, Häuser und Keller sowie Garagen wurden durch die Hagelmassen überschwemmt. Es war dort auch sehr kalt, am Boden 0 °C!
Die folgenden Bilder stammen allsamt aus Schwarzbach und wurden >4 h nach dem Ereignis aufgenommen:
Zum letzten Bild: Hier drückten Regen- und Hagelmassen einen Zaun ein...
Das betroffene Gebiet bei diesem Unwetter war recht groß, verbreitet viel Hagel von 2-3 cm, vielerorts auch > 4 cm. Die größten Körner dürften örtlich die 7 cm erreicht haben (östl. von Ehrenfriedersdorf). Zudem gab es bei Augustusburg einen mit Bildern dokumentierten Tornado (siehe Analyse).
Bis zum Abend waren Feuerwehr und Polizei im Dauereinsatz, um Keller und ganze Häuser leer zu pumpen oder Straßen von Schlamm und Bruchholz zu befreien. Teilweise mussten Hagelmassen von Straßen entfernt werden. So war der Schneepflug in Schwarzbach im Einsatz. Eine weitere Meldung, dass durch Regen- und Hagelmassen aus der Zelle Teile eines Baumarktdaches in Schwarzenberg eingebrochen sind, könnte durch Fotos bestätigt werden! In Erlabrunn, ebenfalls in der Region, brannte ein Baum nach Blitzschlag lichterloh.
Die Maximalintensität der Zelle lag übrigens bei 63-67 dBZ. Örtlich fielen um die 60 Liter pro Quadratmeter in nicht einmal einer halben Stunde! Die Schäden werden wohl weit in die Millionen gehen...
Ein Chasingvideo von der Zelle wurde ebenfalls angefertigt:
(externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=Sn6YZsEPm2s)
Aufgrund des herausragend heftigen Wetterereignisses wurde noch eine umfassende Analyse zur Superzelle angefertigt, welche als Link folgend zu finden ist:
Umfassende Analyse zur Superzelle am 31.5.08
© Michel Oelschlägel
Datum: 14. November 2024