Heftiger Böhmischer Wind und Leesturm im Erzgebirge am 09.01.2018

 

Rückseitig von Hoch Adam über Osteuropa stellte sich am 08. und 09.01. eine südöstliche Windströmung über Sachsen ein. Eine solche Lage ist prädestiniert für den Böhmischen Wind, einem lokalen Windphänomen am Erzgebirge. Doch was ist eigentlich der Böhmische Wind?


Normalerweise entsteht dieser durch das Auskühlen des Böhmischen Beckens und dem Ansammeln von Kaltluft. Gerade bei Südostwind wird der in Tschechien entstandene Kaltluftsee gegen das Erzgebirge gedrückt und fließt über den Osterzgebirgskamm Richtung Erzgebirgsvorland. Im Westen ist das Erzgebirge dagegen meist zu hoch und die Kaltluft kann oft nur in einzelne Täler einfließen. Hier dominiert bei Südwind eher der Föhn, welcher im westlichen Vorland eine Temperaturzunahme verursacht und dort nicht selten auch mit sonnigem Wetter einhergeht. Anders sieht es oft im Einflussbereich des Böhmischen Windes aus. Hier greift meist auch Hochnebel auf die betroffenen Regionen über und der Wind ist oftmals empfindlich kalt, da die Luft hier aus dem Kaltluftsee in Tschechien stammt. Im Winter kommt es durch die aufliegenden Wolken in den höheren Lagen oft auch zu massiver Raueisbildung. Getrennt wird der Böhmische Wind und der Föhn auch durch eine Inversionsschicht. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass unterhalb der Schicht die kalte Luft in Tschechien liegt und darüber aber wärmere Luft vorherrscht. Eine solche Luftkonstellation ist stabil und verhindert einen Luftmassenaustausch zwischen beiden Schichten. Während die Hochlagen im Westerzgebirge oft über der Inversion liegen und daher eben Föhneinfluss haben, liegen vor allem die Lagen im Osterzgebirge durch ihre geringere Höhenlage im Einflussbereich der Luftmasse unterhalb der Inversion. Die Inversion verstärkt zudem den Böhmischen Wind, da die kalte Luftmasse beim Überqueren des Erzgebirges nicht nach oben hin ausweichen kann, wodurch es zu Düseneffekten kommt und der Wind verstärkt wird. Je nach genauer Wetterlage kann der Böhmische Wind eher auf die kammnahen Lagen beschränkt sein oder aber bis ins Erzgebirgsvorland ausgreifen. Vor allem in den Tälern im Erzgebirge kann es dabei sogar zu Orkanböen kommen, da der kalte Fallwind hier gut hineingreifen kann und durch lokale Kanalisationseffekte in den Tälern auch verstärkt werden kann.


Doch wie ging es nun im aktuellen Fall weiter? In der Nacht vom 08.01. zum 09.01. wurde ebenso kühlere Luft aus Tschechien gegen das Erzgebirge gedrückt, weshalb sich vor allem im Osterzgebirge von Altenberg bis etwa Frauenstein ein ausgeprägtes Böhmisches Windereignis einstellte. Dabei wurden in einzelnen Tälern (bei Oberpöbel und Schönfeld) sogar orkanartige Böen und Orkanböen bis um 120 km/h erreicht (ev. sogar etwas darüber). Sonst gab es vielfach schwere Sturmböen von 80-100 km/h, lokal auch etwas darüber. Auch in einigen Tälern im Westerzgebirge was dies der Fall. Durch die starke Höhenströmung rückseitig des Hochs gab es im Westerzgebirge aber auch einen ausgeprägten Föhnsturm, der teilweise Spitzen von 80 bis lokal etwa 100 km/h erreichte - ganz vereinzelt auch etwas darüber. Durch beide Windereignisse gab es einzelne Sturmschäden in dem besagten Bereich, in den Tälern bei Oberpöbel und Schönfeld auch schwerere Sturmschäden im Waldbestand. Am Morgen brach sogar im Osterzgebirge kurzzeitig der Föhn durch und der Böhmische Wind schwächte sich zunächst ab. Dafür aber gab es im Leebereich bei Auflockerung Sturmböen, teils schwere Sturmböen bis in den südlichen Freiberger Raum. Der Föhn brach aber kurz darauf wieder zusammen. Nun bildete sich wieder eine stärkere Inversion am Osterzgebirgskamm aus und der Böhmische Wind setzte erneut ein. Diesmal war er vor allem auf den Raum Altenberg-Bärenfels-Rehefeld beschränkt. Von Bärenfels bis Altenberg traten dabei von 10-13 Uhr Böen von 90-105 km/h auf, lokal auch vereinzelt darüber (geschätzt bis 110-115 km/h). Im Tal bei Rehefeld Richtung Seyde gab es Böen von 100-110 km/h. Der Hochnebel schoss dabei über die Landschaft, immer wieder aber sah man auch die Sonne mal durch den Hochnebel blinzeln. Erst im Laufe des Nachmittags nahm der Böhmische Wind dann langsam ab und auch im Westerzgebirge legte sich der Leesturm bzw. der in einzelnen Tälern vorherrschende Böhmische Wind. Durch den Sturm kam es auch am Tag noch zu einigen Sturmschäden, wobei es sich nahezu ausnahmslos um entwurzelte Bäume handelte. Meist waren es nur vereinzelte Einzelbrüche, lokal, gerade in einigen Tallagen, aber auch mal Gruppenwürfe. Im Westerzgebirge bei Tellerhäuser gab es durch den Nebel sogar Raueisbildung, was die Wurfanfälligkeit einiger Bäume erhöhte. Vereinzelt, wie bei Rehefeld-Seyde, gab es auch größere Gruppenwürfe. Diese wurden teilweise aber auch dadurch begünstigt, dass der Wind vorgeschädigte Bäume von Orkan Herwart noch zu Fall brachte oder aufgerissen Waldbereiche durch den Oktober-Orkan nutzen konnte, um dort weitere Bäume zu Fall zu bringen. Dennoch gab es diesmal auch wieder neue umgestürzte Bäume, die keine Vorschädigung durch Herwart aufwiesen und deren Wurf nicht durch den vorangegangenen Orkan begünstigt wurde (beispielsweise auch die markante Wurfschneise bei Oberpöbel). Dennoch blieben die Schäden insgesamt überschaubar und waren keinesfalls mit Orkan Herwart zu vergleichen.


Es war der stärkste Böhmische Wind seit Ende Dezember 2015. Damals waren jedoch noch größere Flächen betroffen und der Wind griff weiter nach Norden in die Täler aus. Dadurch gab es damals noch deutlich größere Sturmschäden, gerade in den Tallagen (oft auch in Verbindung mit Kanalisationseffekten). Auch war der Sturm damals von längerer Dauer und lokal möglicherweise auch geringfügig stärker. Dennoch war es auch diesmal wieder ein beeindruckendes Ereignis.

 

Hier nun das Video zum Sturmereignis, aufgenommen im Osterzgebirge:

 

(externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=WQV5xfna33M)

 

© Michel Oelschlägel

 

Datum: 27. Juli 2024

                  

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