Orkantief Eberhard verursacht am 10.03.2019 schwere Schäden in Sachsen

 

Nach den schweren Stürmen Friederike und Herwart im Herbst und Winter 2017/2018, den Sturmschäden durch die Kaltfront von Sturm Fabienne im Herbst 2018 sowie dem schweren Schneebruch im Januar 2019 folgte im März 2019 die nächste Großschadenslage für den sächsischen Wald. Orkan Eberhard zog am 10.03.2019 über Deutschland hinweg und traf dabei auch Sachsen mit voller Wucht.


Allgemeine Entwicklung


Das Tief entwickelte sich - beginnend am 9. März - aus einer Randwelle heraus und vertiefte sich im Laufe seiner Entwicklung auf ca. 995 hPa am Nachmittag des 10. März. Die hohe Zuggeschwindigkeit des Tiefs sowie ein ausgeprägter Luftdruckgradient auf der Südseite deuteten auf eine ausgeprägte Sturmlage hin. Der Kern des Tiefs zog dabei über die nördliche Mitte von Deutschland, ungefähr entlang einer Linie Münster - Hannover - Magdeburg. Südlich davon gab es im Sturmfeld verbreitet schwere Sturmböen, lokal orkanartige Böen. In Schauern traten vermehrt orkanartige Böen, teils sogar lokale Orkanböen auf. Richtung westliches Baden-Württemberg, im Bereich des Saarlandes und von Rheinland-Pfalz bis nach Belgien, Luxemburg und Nordostfrankreich traten zeitweise (gegen Mittag bzw. am frühen Nachmittag) auch verbreiteter orkanartige Böen und einzelne Orkanböen auf (auch abseits von Schauern). Hinzu kam eine Sting-Jet-Entwicklung, welche besonders in einem schmalen Bereich von NRW, Nordhessen, Süd-Sachsen-Anhalt und Süd-Niedersachsen, Thüringen und Sachsen verbreitet orkanartige Böen und vielfach auch Orkanböen verursachte. Der Sting-Jet traf NRW ab etwa 14/15 Uhr und verließ Sachsen nach Polen hin (und unter deutlicher Abschwächung) gegen Mitternacht. Vor allem in Teilen von West-NRW und Hessen sowie in Sachsen wurden dabei bis in tiefe Lagen auch Orkanböen von >130 km/h beobachtet.


Entwicklung in Sachsen und Chasingbericht


Begonnen hatte die Dokumentation des Ereignisses diesmal nicht in Sachsen, sondern in Oberfranken bei Seßlach nahe Coburg. Hier zogen nach anfänglichen Warmfrontniederschlägen am Morgen einige Schauer im labilen Warmsektor über die Region hinweg. Zunächst war es dabei auch auffallend mild geworden. Gegen Mittag frischte auch langsam der Wind auf. Mit einer Schauerlinie gegen 15 Uhr traten auf einmal schwere Sturmböen und sogar einzelne orkanartige Böen auf. Möglicherweise handelte es sich hierbei um die Kaltfront, die aber nicht wirklich deutlich ausgeprägt war. Ein erster Hinweis auf eine Shapiro-Keyser-Zyklone mit einer erhöhten Sting-Jet-Gefahr. Auch nachfolgend hielt der schwere Sturm weiterhin an. Im Wald zwischen Seßlach und Watzendorf fielen durch die Schauerlinie und den weiterhin anhaltenden Sturm mehrere Bäume um.

 

Aufziehende Schauerlinie bei Seßlach...

 

Einsetzender schwerer Sturm und Starkregen...

 

Anhaltender schwerer Sturm nach den Schauern...

 

Ich fuhr anschließend zurück nach Sachsen. Dabei gab es immer wieder Schauer und heftige Böen. Im sächsischen Vogtland gab es weiterhin Sturmböen bei zunächst freundlichem Wetter. Hier war es auch noch recht mild. In Freiberg angekommen war es zunächst noch windschwach und vom Starkwindfeld war am Boden noch wenig zu spüren. Womöglich war hier die Warmluftadvektion noch zu stark und verhinderte ein Herabmischen der starken Höhenwinde. Doch schon bald zog eine kräftige Schauerlinie über die Region, mit welcher nun auch bodennah der Wind schlagartig auffrischte. Schwere Sturmböen, lokal auch orkanartige Böen (wie in Eppendorf mit 109 km/h, Meteomedia), traten mit den Schauern auf. Richtung Erzgebirge gab es sogar Gewitter. Erste Sturmschäden waren mancherorts die Folge dieser ruppigen Schauerpassage. Danach blieb der Wind weiterhin stark und erreichte Sturmstärke.

 

Abendliche Schauer mit schwerem Sturm über Freiberg...


Spannend wurde es schließlich ab 20 Uhr. Nun wanderte die warmfrontgebundene Niederschlagsfront rückseitig des Tiefkerns nach Sachsen hinein. Dabei lag das Niederschlagsband zunächst noch über Brandenburg. Auffallend war, dass dieser Niederschlag beim Hineinziehen nach Sachsen verdunstete. Das war der über Sachsen liegenden, deutlich trockeneren Luft geschuldet. Eine solche Konstellation ist typisch für eine Sting-Jet-Entwicklung. Lediglich im Erzgebirgsvorland und Erzgebirge traten wohl durch eine leichte Staukomponente einige kurze, aber sehr schwache Graupelschauer auf – lediglich Richtung Vogtland/ Westerzgebirgskamm waren sie etwas stärker. Mit dieser Entwicklung legte nun der Wind deutlich zu und ab 20 Uhr traten schwere Sturmböen und erste orkanartige Böen auf. Doch das war noch kein Vergleich zu dem, was noch kommen sollte.


Ich stationierte mich nun westlich von Freiberg auf einer Anhöhe Richtung Oberschöna. Ruppige Böen rauschten nun über mich hinweg. Zwischen 21 Uhr und 22 Uhr wurde es dann sehr heftig, Böen bis um 120 km/h fauchten in den umliegenden Bäumen. Der Sting-Jet brach nun scheinbar voll durch und einzelne, schwache Graupelschauer machten die Kulisse akustisch noch beeindruckender. Nach Westen hin fielen mir nun bald regelmäßige Blitze auf. Zunächst dachte ich auch an Gewitter (immerhin gab es ja auch einige Graupelschauer), aber damit lag ich falsch. Bei den „Blitzen“ handelte es sich um Entladungen durch in Stromleitungen hineinfallende Bäume, also um sogenannte Power-Flashs. Eine dieser Entladungen war gewaltig und sah aus wie ein riesiger Wolkenblitz – aber eben rötlich-grün. Danach fiel in Oberschöna der Strom aus. Mich wunderte dieses zunehmende Flackern schon etwas, aber kurz darauf merkte ich, warum so viele Stromleitungen nacheinander ausfielen. Der ohnehin vorhandene Orkan legte nun nochmal zu und erreichte - irgendwann zwischen 21:30-22:00 Uhr - schon wirklich recht extreme Bedingungen für etwa 5-10 Minuten. Eine Orkanböe nach der anderen folgte mit Spitzen um oder gar über 130 km/h. Selbst lokale 140 km/h halte ich in dieser Zeit für sehr plausibel. Sogar der 10-minütige Mittelwind lag nun bei über 90 km/h, lokal sogar im Orkanbereich (siehe Daten der Windmessungen unten). Die Kulisse war absolut beeindruckend, allein vom Geräusch her. Obwohl es dunkel war, konnte man an einer Birkengruppe vor mir die Gewalt des Sturmes erkennen. Das Auto wackelte die ganze Zeit. Nach diesem Höhepunkt ließ der Wind erst zögerlich, später dann aber rasch nach und kalte Luft floss ein. Später kamen sogar Schneeschauer dazu.

 

Orkanböen rauschen zwischen 21 und 22 Uhr - insbesondere zwischen 21:30 und 22 Uhr - über die Region, der Mittelwind liegt zeitweise bei >90 km/h, lokal deutlich darüber!


Ich fuhr nun Richtung Freiberg und nachfolgend noch im Bereich um Freiberg umher. Überall fanden sich umgestürzte Bäume, ganze Straßen waren blockiert. Feuerwehren waren überall im Dauereinsatz. Zahlreiche Orte um Freiberg herum waren dunkel und hatten keinen Strom. Zahlreiche Bäume landeten in Leitungen. Auch Dächer wurden in Freiberg beschädigt oder abgedeckt. Durch die Dunkelheit konnte man aber viele Schäden noch gar nicht erkennen.

 

Mehrere umgestürzte Bäume zwischen Freiberg und Kleinschirma...

 

Blick in den Wald...

 

Sturmschaden in Freiberg - einer von vielen...

 

Auch im Stadtgebiet von Freiberg behindern viele umgestürzte Bäume den Verkehr...

 

Bei Kleinwaltersdorf nahe Freiberg...

 

Umgestürzte Bäume zwischen Oberschöna und Oederan auf der B173...

 

In Wegefarth bei Freiberg...


Umliegende Stationen registrierten während der Sting-Jet-Passage orkanartige Böen und Orkanböen, wie Chemnitz mit 121 km/h (418 m, DWD), Eppendorf mit 125 km/h (450 m, Meteomedia) oder Collmberg mit 133 km/h (311 m, kachelmannwetter). Auf den Hügeln in Mittelsachsen kann man vielerorts von Böen um 130-140 km/h ausgehen, wie sich später auch durch das entstandene Schadensbild erhärtete. Noch beeindruckender aber waren teils die Mittelwinddaten. Diese lagen beispielsweise um 90 km/h in Chemnitz, nahmen aber im Freiberger Raum nochmal deutlich zu. Hier wurden sogar kurzzeitig unglaubliche 119 km/h an einer exponierter liegenden Forschungsstation auf der Reichen Zeche (441 m) in Freiberg gemessen (leider gibt es dort keine Böenmessung)! Das ist Orkanstärke im Mittel und im Binnenland überaus selten! An die Begutachtung der Schäden ging es dann ab dem folgenden Morgen. Viele Schäden waren auch erst bei Tageslicht erkennbar und viele Feuerwehreinsätze folgten auch noch am 11. des Monats. Allein die Freiberger Feuerwehr musste dabei insgesamt mehr als 30 Einsätze abarbeiten, in Dresden waren es 144, in Chemnitz sogar >170. Im gesamten Kreis Mittelsachsen waren es viele hundert Feuerwehreinsätze in Folge des Sturmes.

 

Nachfolgend noch das Chasing-Video zum Sturmereignis bei Freiberg:

 

Video zum Orkan bei Freiberg (externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=i_kY1O8ijK8)


Die Schäden des Orkans (Stand März 2019)


Orkan Eberhard richtete Deutschlandweit schwere Schäden an. Neben vielen Verletzten gab es leider auch ein Todesopfer zu beklagen. Auch in Sachsen gab es viele Verletzte, teils Schwerverletzte durch den Orkan. Die schwersten Schäden entstanden hier im Bereich Mittelsachsen bis ins Osterzgebirge. Hier wurden zahlreiche Bäume in den Wäldern gebrochen oder entwurzelt. Viele Gruppenwürfe und Wurfschneisen gibt es, teilweise sind auch ganze Waldflächen geworfen worden. Die Schäden ähneln im Freiberger Raum stark an Orkan Friederike aus dem vorherigen Winter. Schlimm betroffen sind auch wieder alte Wurfflächen aus dem vergangenen Winter. Insgesamt geht man derzeit von ca. 500.000 Festmeter (fm) Sturmholz allein in Sachsen aus (Stand März 2019). Allein im Forstbezirk Bärenfels werden bis zu 100.000 fm Wurfholz vermutet (Stand März 2019), in Bereich Marienberg liegen erste Schätzungen bei 50.000 fm (Stand März 2019). Zu anderen Forstbezirken liegen noch keine genaueren Schätzungen vor. Gerade der Bezirk Chemnitz wird aber wahrscheinlich wieder hart getroffen worden sein. Deutschlandweit liegen die Waldschäden übrigens bei mindestens 2 Millionen Festmetern mit ebenfalls jeweils ca. 500.000 Festmetern Sturmholz in Hessen und Baden-Württemberg (Stand März 2019).


Doch auch abseits der Wälder gab es viele Schäden. Allein in Freiberg fielen im Stadtgebiet viele Bäume um und Dächer wurden beschädigt oder abgedeckt. Gefühlt ist hier der Schadensumfang sogar etwas höher als bei Herwart oder Friederike. Dabei muss man noch bedenken, dass die Vegetationsschäden noch höher hätten ausfallen können. Da die Böden zum Zeitpunkt des Sturmes vergleichsweise trocken waren, hielten die Bäume hierin mit ihren Wurzeln besser als im Falle von nassen Böden.


Nachfolgend einige Aufnahmen zu den Sturmschäden, beginnend mit Aufnahmen aus dem städtischen Umfeld von Freiberg:

 

Zahlreiche umgestürzte Bäume finden sich in Freiberg nach dem Sturm...

 

Auch sonst sehr standhafte Bäume sind entwurzelt worden...

 

Hier sieht man die gewaltige Wurzel eines solchen Baumes - doch auch sie war gegen die Orkanböen machtlos...

 

Weiterer Baumschaden...

 

Abgedecktes Dach in Freiberg...

 

Und noch ein Baum...

 

Aufnahmen zu den Sturmschäden in den umliegenden Waldgebieten:

 

Im Freiberger Hegewald...

 

Zahlreiche Bäume sind hier wieder umgeworfen worden...

 

Ganze Baumgruppen sind betroffen...

 

 

Schlimme Schäden auch wieder im Freiberger Fürstenwald...

 

Ein erster Blick in den Wald zeigt: Unzählige Bäume liegen wieder am Boden...

 

Waldschäden in einem Bestand zwischen Oederan und Oberschöna...

 

Auch hier finden sich Stellen mit sehr massiven Sturmschäden...

 

 

Der Oederaner Stadtwald...

 

Auch hier gibt es wieder erhebliche Waldschäden...

 

Besonders schwere Schäden finden sich in einem Waldbestand zwischen Wegefarth und Oberschöna...

 

Ganze Bestände liegen hier am Boden...

 

Der Wald ist hier vollig zerstört...

 

Große Wurffläche nach dem Orkan...

 

 

Weiter zum zweiten Teil der Schadensdokumentation...

 

© Michel Oelschlägel

Datum: 11. Dezember 2024

                  

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